Fit für die Insel

Wangerooge5

Fit für die Insel

Die KV Niedersachsen startet auf Wangerooge Eigeneinrichtung. Praxis „Wooge“ am neuen Standort wird hausärztliche Versorgung auf der Insel deutlich verbessern

 

Am 21. Juni hat die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) auf der Insel Wangerooge die neuen Räumlichkeiten der Arztpraxis „Wooge“ als Eigeneinrichtung eröffnet. Im Beisein des Bürgermeisters, Marcel Fangohr, und des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), Mark Barjenbruch, fiel nach einer zweijährigen Vorbereitungszeit der Startschuss für die Praxis in den neuen Räumen. Die neue Praxis ist die zweite Eigeneinrichtung der KVN.

 

Die ostfriesischen Inseln gelten als „Sorgenkinder” der KVN bei der Sicherstellung. Es war und bleibt schwierig, Nachwuchsärztinnen und -ärzte für eine dauerhafte Niederlassung auf einer Insel zu gewinnen. Da bildet Wangerooge keine Ausnahme. Seit langem existiert dort zwar eine hausärztliche Praxis, die jedoch überlastet ist. Versuche, ihre Kapazität als Gemeinschaftspraxis auszubauen, ließen sich nicht verwirklichen. Vor diesem Hintergrund entschied sich die KVN, die ärztliche Versorgung der Insel durch eine Eigeneinrichtung sicherzustellen. Ein vergleichbares Praxismodell gab es in Niedersachsen bislang nur in der Gemeinde Sögel im Emsland.

 

Erfolgreiche Kooperation

 

Betreiber der Praxis ist die „Dienstleistungsgesellschaft für Ärzte und Praxen in Niedersachsen” (DAEPN), die als hundertprozentiges Tocherunternehmen auch für den Betrieb der 66 Bereitschaftsdienstpraxen in Niedersachsen zuständig ist. „Eine Eigeneinrichtung ist in den fünfzehn Jahren ihres Bestehens aber noch nicht vorgekommen”, betonte DAEPN-Geschäftsführer Wolfgang Schäpers in einer kurzen Ansprache zur Praxiseröffnung. Er hob vor allem die gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wangerooge bei Einrichtung der Praxis hervor.

 

„Die Inseln liegen der KVN sehr am Herzen”, bekräftigte auch der KVN-Vorstandvorsitzende Mark Barjenbruch. „Über eine Million Euro stecken wir jährlich in unsere Inselärzte, damit sie auf den Inseln bleiben. Denn es ist nicht so einfach: Es ist kein Krankenhaus in der Nähe, das Schiff fährt nicht, es ist schwierig, wenn man auf sich gestellt ist.”

 

Marcel Fangohr, Bürgermeister der Gemeinde Wangerooge, blickte in seiner Ansprache zurück auf die längere Vorgeschichte der neuen Praxis. Die ersten Gespräche dazu habe es schon 2020 gegeben. Zunächst war die alte Rettungswache als provisorische Praxis eingerichtet worden. Denn der Umbau der alten Grundschule zur Praxis verzögerte sich. Der Rat hatte zudem zur Bedingung gemacht, einen dritten Raum einzurichten. „Den man vielleicht nicht immer braucht, aber es ist schon hilfreich“. Sei es für den Rettungsdienst, um Notfälle schnell versorgen zu können, ohne durch die Praxis durch zu müssen – oder für Fachärzte, die hier zumindest übergangsweise praktizieren könnten. Das Ziel der Gemeinde sei es, auch Fachärzte auf die Insel zu bekommen.

 

Überzeugte Inselärztin

 

Ein Glücksfall ist es, dass für die neue Praxis auch eine Ärztin gefunden werden konnte. Dr. med. Annick Goltz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, stammt aus Rheinland-Pfalz, hatte eine zeitlang in der Notaufnahme des Klinikums Rothenburg/Wümme gearbeitet und erfuhr dort von der Möglickeit einer ärztlichen Tätigkeit auf Wangerooge. In den letzten beiden Jahren praktizierte sie dort in den provisorischen Räumen, ist mittlerweile begeisterte Insulanerin, gut vernetzt und hat auch privat ihr Glück auf der Insel gefunden. Zwei Medizinische Fachangestellte, Britta Röben und Lea Büchen, unterstützen die Ärztin.

Goltz hat sich fest vorgenommen, langfristig auf Wangerooge bleiben, sich allerdings nicht niederlassen. Für sie ist die Tätigkeit als angestellte Ärztin die ideale Beschäftgungsform. Von den neuen Räumen ist sie begeistert: „Wir haben Patienten, die mit Scootern versorgt sind, und die feiern natürlich, dass sie einfach mit ihren Scootern in die Praxis fahren können. Die können sich anmelden und dann direkt ins Gesprächszimmer durchfahren.” Die Ebenerdigkeit der Praxis sei großartig. Bei kleinen und großen Notfällen in den ersten Tagen nach dem Umzug habe sich schon gezeigt, dass sich die Patienten hier schonender behandeln und optimal versorgen ließen.

 

Als Inselärztin hat Dr. Goltz alle Hände voll zu tun. Da sie auch noch einen großen Teil des Bereitschaftsdienstes übernimmt, ist sie praktisch 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche im Einsatz. Mit dem Saisonbetrieb auf Wangerooge kennt sie sich mittlerweile gut aus. In der Ferienzeit häufen sich vor allem die typischen Urlauberprobleme – Sonnenbrände, Berührungen mit Quallen, aber auch Hautreizungen durch Kontakt mit der auf den ostfriesischen Inseln verbreiteten Goldafterraupe. Doch prinzipiell muss Dr. Goltz hier von der Augenverletzung bis zur Magenverstimmung über Geburt und Herzinfarkt alles behandeln und betreuen können. Dank der neuen Praxis sieht sie sich auch für schwerere Notfälle gut gerüstet. Hier lassen sich Patienten zunächst stabilisieren und geschützt versorgen, bis sie auf das Festland transportiert werden können.

 

Gelungener Umbau

 

Das ehemalige Schulgebäude in der Nikolausstr. 4-6 hat sich aber nicht von Anfang an als idealer Praxisstandort erwiesen. Es gab bauliche Probleme. Lange musste man sich darum streiten, ob aus der alten Schule die Bodenplatte entfernt werden musste oder nicht. Am Ende musste sie komplett erneuert werden. Die Praxis wurde komplett neu eingerichtet und hat digitale Neuerungen erhalten, die den Praxisalltag erleichtern sollen. Die Gemeinde Wangerooge ist mit den Umbauten in Vorleistung getreten und vermietet die Räume jetzt an die DAEPN.

 

„Die Patientinnen und Patienten werden bei uns alles vorfinden, was für die hausärztliche Versorgung wichtig ist“, betont Dr. Goltz. Bei denen kommt die neue Praxis aber auch aus einem anderen Grunde gut an. Ein älterer Patient, der als einer der ersten in die Anmeldung kam, zeigte sich in den neuen Räumen gleich bestens orientiert. „Ich kenne mich aus – hier bin ich schon als Kind zur Schule gegangen.”